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Bevor wir mit der Mitose so richtig loslegen, möchte ich
diejenigen unter Ihnen beruhigen, die eine so ausführliche
Behandlung der Mitose für überflüssig halten, weil sie ja
genaugenommen mit dem Geschehen bei der Vererbung wenig zu
tun hat. Im Prinzip ist das ja auch richtig. Aber wenn wir
uns vergegenwärtigen, daß die Mitose mit ihren einfach zu
durchschauenden Abläufen gewissermaßen das Rüstzeug zum
Verständnis der doch recht komplizierten Meiose liefert,
dann ist es sicherlich sinnvoll, so vorzugehen. Schauen Sie
sich die Abbildung l an und vergleichen Sie den
Chromosomensatz mit dem in Abbildung 3 aus dem 2. Teil.
Es ist Ihnen sicherlich sofort aufgefallen, daß das 3.
Chromosomenpaar gar kein richtiges Paar ist, die beiden hier
nebeneinander gezeichnete Chromosomen sehen ja ganz
verschieden aus. Und doch bezeichnet man sie als homologe
Chromosomen, denn beides sind Geschlechtschromosomen. Das
größere mit dem Zentromer in der Mitte ist das X-Chromosom,
das kleinere mit dem Zentromer fast am einen Ende das
Y-Chromosom. Man nennt die Geschlechtschromosomen auch
Heterosomen und unterscheidet sie damit von den übrigen
Chromosomen, den Autosomen, die immer „echte" Paare bilden.
Die Heterosomen tragen die jeweiligen Geschlechtsmerkmale
Fast der gesamte Bauplan für eine Katze liegt auf den
Autosomen. Das C-Chromosom trägt die sogenannten weiblichen
Geschlechtsrealisatoren, die die Ausprägung aller weiblichen
Geschlechtsmerkmale steuern. Auf dem Y-Chromosom dagegen
liegen die männlichen Geschlechtsrealisatoren. Ist ein
Y-Chromosom vorhanden, wird sofort die Entwicklung der
Geschlechtsmerkmale umgesteuert, und es kommt ein Kater
dabei heraus. Für etwas Verwirrung sorgt die Tatsache, daß
im Gegensatz zum Y-Chromosom auf dem X-Chromosom auch noch
einige andere Gene liegen. Mit diesen geschlechtsgebundenen
Erbgängern müssen wir uns später noch herumschlagen, jetzt
sei nur so viel verraten, es geht dabei um die dreifarbigen
„Glückskatzen".
Kater haben ein Y-Chromosom, Katzen nicht
Nur der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen,
daß es auch andere Mechanismen der Geschlechtsbestimmung
gibt. Bei den meisten Pflanzen gibt es keine Heterosomen,
alle Geschlechtsrealisatoren liegen auf den Autosomen.
Heuschrecken haben nur eine Heterosomenart, nämlich
X-Chromosomen. Die männlichen Geschlechtsrealisatoren
befinden sich auf den
Autosomen. Ist nur ein X-Chromosom
vorhanden, entwickelt sich ein männliches Tier, zwei
X-Chromosomen führen zu einem Weibchen. Die Schmetterlinge
zeigen eine besonders pikante Variante: Die Weibchen haben
den XY-Genotyp und die Männchen haben zwei X-Chromosomen.
Bei der Katze hat sich jedoch, wie bei allen Wirbeltieren,
im Verlauf der Evolution die XY Geschlechtsbestimmung
durchgesetzt. Alle Tiere ohne Y-Chromosom sind weiblich,
alle Tiere mit mindestens einem Y-Chromosom sind männlich.
Also sind im Normalfall XX-Katzen wie in Ab-
bildung 3/2. Teil Weibchen und XY-Katzen wie in Abbildung l
Kater. Und mit diesem Modell-Kater wollen wir auch mit der
Mitose weitermachen. Es ist ein schwarzer Kurzhaar-Kater
(L/l) ohne Verdünnung (D/d), beide Gene liegen in
heterozygoter Form vor.
Wandernde Chromatiden bilden
Tochterzellen
Diese Schemazeichnung zeigt
das uns schon bekannte Bild einer Metaphase: die Chromosomen
sind aufspiralisiert, die Kernmembran ist bereits aufgelöst,
und die Chromosomen haben sich schon in der Äquatorialebene
angeordnet. Neu sind die Pfeile, die Ihnen lediglich eine
Vorstellung davon geben sollen, wie die Spindelfasern
ansetzen und in welche Richtung diese ziehen werden. Wir
nehmen wieder vereinfacht an, daß an jedem Zentromer nur
zwei Spindelfasern ansetzen, deren Zugrichtung zu genau
entgegengesetzten Zellpolen weist. Beim natürlichen Vorgang
sind es ganze Bündel von Spindelfaser, die an den
Zentromeren zerren. Wenn dann die Zentromere geteilt sind
und die beiden Spalthälften oder Chromatiden eines jeden
Chromosoms auseinanderweichen, dann bilden sich auch
dazwischen noch Spindelfasern, die die beiden Chromatiden
auseinanderdrücken. Dann gibt es auch
noch Fasern, die direkt von Zellpol zu Zellpol
verlaufen und sozusagen „Schienen" bilden, auf denen die
Chromatiden zu den Polen „gelenkt" werden. Also bleiben wir
lieber bei unserem einfachen Schema und kommen wir mit
Abbildung 3 zur nächsten Phase der Mitose, der Anaphase. In
der Anaphase werden die beiden Chromatiden eines jeden
Chromosoms mit Hilfe der Spindelfasern voneinander getrennt
und wandern zu gegenüberliegenden Zellpolen. Sobald die
Chromatiden an den Zellpolen angekommen sind, wird eine neue
Zellwand gebildet (gestrichelte Linie). Damit sind zwei
Tochterzellen entstanden, die, wie Sie leicht selber
nachprüfen können, genau die gleiche Gen- und
Allelenausstattung haben, wie die Ausgangszelle. Die
Chromosomen sind lediglich halb so dick, weil sie nur noch
jeweils aus einer Chromatide bestehen. Es folgt die
Telephase: Die Chromosomen beginnen sich zu entspiralisieren
und in beiden Tochterzellen wird eine neue Kernmembran
aufgebaut.
Durch Kopieren entstehen
wieder vollständige Chromatiden
Die anschließende Phase ist
die letzte Phase der Mitose. Oder ist es vielleicht die
erste Phase der nächsten Zellteilung, weil jetzt die
Voraussetzungen dafür geschaffen werden? Nun, auf jeden Fall
liegt diese Phase zwischen zwei Teilungen und heißt daher
Interphase. Als erstes wird für jedes Chromosom wieder eine
zweite Chromatide sythetisiert. Die Chromatide aus der
Ausgangszeile wird dabei als Vorlage benutzt, es wird eine
identische Kopie davon hergestellt: also gleiche
Nucleotidfolge, damit gleiche Gen- und Allelenausstattung.
Jetzt besteht jedes Chromosom wieder aus zwei absolut
identischen Chromatiden, nicht nur damit es in der nächsten
Teilung überhaupt wieder etwas zum Verteilen gibt, sondern
auch, weil jetzt gearbeitet wird. Es müssen von den für die
Aufgabe der Zelle notwendigen Genen Kopien angefertigt
werden, die dann im Zellplasma verarbeitet werden und so die
Funktion der Zelle garantieren oder zur Ausprägung eines
bestimmten Merkmals führen. Dabei können sich die beiden
Tochterzellen durchaus auseinanderentwickeln oder
differenzieren, aber nicht, weil sie eine unterschiedliche
Gen- bzw. Allelenausstattung haben, sondern weil in den
beiden Zellen unterschiedliche Gene abgelesen werden, je
nach Aufgabe der beiden Zellen.
Die Differenzierung führt zur
Organbildung
Gehen wir nun an den Anfang
der Entwicklung zurück. Nach der Befruchtung, also der
Verschmelzung von Spermium und Eizelle, durchläuft die
Zygote einige Mitosezyklen, dann findet eine grundlegende
Differenzierung statt. Die meisten Zellen machen weiterhin
mitotische Teilungen und differenzieren sich zu
Nervenzellen, Hautzellen, Nierenzellen, Leberzellen,
Drüsenzellen usw., sie bauen also die Organe auf und bilden
zusammen den Körper der Katze. Daher werden alle diese
Zellen Somazellen genannt. Die übrigen Zellen werden zu
Keimbahnzellen, bauen durch Mitosen bei der Katze die
Eierstöcke oder beim Kater die Hoden auf und stellen dann
die mitotischen Teilungen ein. Die Endprodukte der letzten
Mitosen der Keimbahn sind in den Eierstöcken oder Ovarien
die Oogonien, also die Vorläufer der befruchtungsfähigen
Eizellen oder Oocyten. in den Hoden entstehen die Vorläufer
der Spermien, die Spermatogonien.
Reduktion der Chromosomen ist
notwendig
Und jetzt kommt endlich die
Meiose ins Spiel. Durch diese besondere Zellteilungsvariante
entstehen einerseits aus Oogonien Oocyten und andererseits
aus Spermatogonien Spermien. Die Meiose läßt sich auch nicht
wie die Mitose als Zyklus beschreiben, sie stellt vielmehr
eine Art Einbahnstraße dar. Die Endprodukte der Meiose, die
Gameten (Sammelbegriff für Oocyten und Spermien) verfügen
nur noch über einen reduzierten Chromosomensatz, denn von
jedem Homologenpaar bleibt nur noch ein Chromosom übrig,
weshalb die Meiose auch Reduktionsteilung genannt wird.
Warum diese Reduktion notwendig ist, das wird einem sofort
klar, wenn man überlegt, daß die Zygote aus einer Eizelle
mit normalem Chromosomensatz und einem Spermium mit normalem
Chromosomensatz plötzlich über 76 Chromosomen verfügen
würde. Die nächste Generation ohne dazwischengeschaltete
Reduktionsteilung hätte dann schon 152 Chromosomen, die
nächste 304 Chromosomen usw. . . so geht das also nicht!
Die Meiose dauert wesentlich
länger
Schauen wir uns nun an
unserem Modell-Kater von Abbildung l den Ablauf der Meiose
an und sehen, wie das Problem gelöst wird. Auch die Meiose
beginnt mit einer Prophase. Aber die dauert viel länger als
die der Mitose. Die ganze Mitose dauert nur wenige Minuten
bis maximal ein oder zwei Stunden. Bei der Meiose dauert
allein die Prophase Stunden, manchmal Tage oder Wochen und
im Extremfall sogar Jahre oder Jahrzehnte, wie beim
Menschen.- Zur Unterscheidung vom mitotischen Geschehen wird
diese erste meiotische Prophase auch als Prophase-I
bezeichnet, was schon darauf hindeutet, daß es wohl eine
zweite meiotische Prophase geben muß und daß die Meiose aus
zwei unmittelbar zusammenhängenden Teilungen bestehen muß,
nämlich aus der Meiose-I und der Meiose-II. Aber greifen wir
nicht vor. In der Prophase-I werden nicht nur die
Chromosomen zur Transportform aufspiralisiert, sondern die
homologen Chromosomen lagern sich ganz eng aneinander, sie
„paaren" regelrecht. Die Paarung ist sehr eng und exakt, so
daß gleiche
Genorte
immer dicht nebeneinander liegen. Man nennt die entstandenen
Gebilde Bivalente, weil sie aus jeweils zwei homologen
Chromosomen bestehen. Ein anderer gängiger Name ist
Chromatidentetrade, weil ja jedes der beiden homologen
Chromosomen aus zwei Chromatiden besteht. Am Ende der
Prophase-I weichen die Paarungspartner wieder etwas
auseinander, die Kernmembran wird aufgelöst und die in
unserem Fall drei Bivalente ordnen sich in einer
Äquatorialebene an. In Abbildung 4 sehen Sie dann das
Ergebnis, die Metaphase-I. Sie sehen zwei vollständige
Bivalente und ein Gebilde, das nicht so ganz dazu paßt.
Hätten wir unsere Modell-Katze genommen, dann wären in der
Metaphase-I drei richtige Bivalente zu sehen gewesen, denn
die beiden X-Chromosomen sind vollständig homolog. X- und
Y-Chromosomen haben nur homologe Abschnitte, sie können, wie
in Abbildung 4, nur teilweise paaren. Aber diese Teilpaarung
reicht aus, um in der
folgenden Anaphase-I (Abbildung 5) eine zuverlässige
Aufteilung der Chromosomen auf die beiden Tochterzellen zu
gewährleisten.
Bei der ersten meiotischen
Teilung werden Chromosomen verteilt
Was die Pfeile in Abbildung
4 zu bedeuten hatte, das wissen Sie ja schon und Sie können
sich auch denken, daß es sich bei der Abbildung 5 um eine
stark vereinfachte Darstellung der Anaphase-I handelt.
Alles, was vorher bei der Mitose über Spindelfasern, Zug-
und Schubkräfte usw. gesagt wurde, gilt auch hier. Der große
Unterschied besteht darin, daß bei der ersten meiotischen
Teilung keine Chromatiden, sondern ganze Chromosomen
verteilt werden. Das soll aber nun nicht heißen, daß die
beiden Tochterzellen nicht das gesamte Genom abbekommen. In
jedem der beiden Chromosomen eines Homologenpaares stecken
ja dieselben Gene. Da jede der beiden Tochterzellen von
jedem Homologenpaar ein Chromosom bekommt, besitzt auch jede
der beiden Tochterzellen das gesamte Genom, nur die
Allelenausstattung kann in den beiden Tochterzellen
unterschiedlich sein. Schauen wir uns zur Erklärung noch
einmal die Abb. l an. Die markierten Gene sind Verdünnung
und Haarlänge, dazu geschlechtsbestimmende Gene auf den
Heterosomen. Die beiden Tochterzellen aus der Meiose-I
werden nach Abschluß der Teilung je ein Gen für die
Verdünnung und für die Haarlänge haben und dazu je ein
Heterosom für die Geschlechtsbestimmung, also jeweils das
volle Genom. Die Allele dagegen sind in den beiden
Tochterzellen unterschiedlich: Abb. 5/links: volle Farbe -
Langhaar - männlich, Abb. 5/rechts: Verdünnung - Kurzhaar -
weib-
lich.
Das nächste Mal werden wir
die Meiose zu Ende führen und versuchen, die ganze Sache
mathematisch-statistisch zu erfassen. Dann sehen wir auch
gleich, wo überall uns der Kollege Zufall stolpern läßt. Sie
können ja inzwischen mal versuchen, die Meiose-I mit unserer
Modell-Katze aus dem 2. Teil durchzuführen, denn wir wollen
später unsere beiden Modell-Tiere gedanklich verpaaren und
das „Zuchf"-Ergebnis analysieren.
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Dipl. Biologe R.
Fahlisch
"Dreamhunter Cattery"
Das Copyright für den oben genannten Text, liegt sowohl beim
Autor des Textes Herrn R. Fahlisch, sowie bei dem Betreiber
dieser Seiten, Frau Ute Kunze. Eine Vervielfältigung oder
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