|
Raucht Ihnen der Kopf noch von
den mathematischen Spielereien aus dem letzten Teil? Gut,
das zeigt, daß Sie sich wenigstens damit beschäftigt haben.
Nachdem uns die rechnerische Begründung gelungen ist, werden
wir uns mit den daraus abgeleiteten einfacheren
Formulierungen „häufig", „selten" und „sehr selten" begnügen
können, denn wir wissen ja nun, welche zahlenmäßigen
Häufigkeiten hinter solchen Aussagen stecken können.
Aber wenden wir uns zunächst
der Aufgabe aus dem letzten Teil zu. Wir sind von der
Annahme ausgegangen, daß von den Elterntieren keine
Stammbäume existieren bzw. daß die entsprechenden Genotypen
nicht ableitbar sind. Wir können uns also nur auf die Allele
stützen, die im Phänotyp erkennbar sind. Fangen wir mit dem
weiblichen Tier an, einer blauen Kurzhaarkatze. Blau
bedeutet verdünntes Schwarz, sie muß also für das Allel d
homozygot sein (d/d). Damit die Haare kurz sind, muß das Gen
für die Haarlänge mindestens einmal mit dem dominanten Allel
L besetzt sein, über das zweite Allel ist keine Aussage
möglich: also Bindestrich. Dann noch zweimal das X-Chromosom
dazu, und fertig ist die Tabelle l.
Allele |
mögliche
Allelenkombinationen |
d/d |
d |
|
L/- |
L |
- |
|
|
X/X |
X |
|
X |
|
|
|
|
|
Gameten
|
d
L
X |
|
d
-
X |
|
|
|
|
|
Wenden wir uns dem schwarzen
Kurzhaar-Kater zu. Das Gen für die Farbdichte muß mindestens
einmal mit dem dominanten Allel D besetzt sein, das zweite
Allel bleibt buchstäblich hinter dem Schwarz der
unverdünnten Farbe verborgen: also Bindestrich. Was die
Haarlänge betrifft, liegen dieselben Verhältnisse vor wie
bei der Katze, also L/-. Nun noch die beiden Heterosomen X
und Y dazu, und das Ergebnis sollte so aussehen wie Tabelle
2. Wenn gegenüber Ihrer Lösung ein paar Felder vertauscht
sind, ist das Ergebnis trotzdem richtig. Sie haben dann
vielleicht eine andere Reihenfolge der Gene angenommen oder
die Allele anders angeordnet. Schließlich ist es ja egal, ob
das Verdünnungs-Gen oder das Gen für die Haarlänge an erster
Stelle steht. Ebenso spielt es für den Phänotyp keine Rolle,
ob man zum Beispiel D/- oder -/D schreibt. Es haben sich
jedoch in der Genetik gewisse „Schreibregeln" eingebürgert,
und wir sollten uns von Anfang an daran halten. Die zu einer
bestimmten Analyse notwendigen Gene werden in alphabetischer
Reihenfolge aufgeschrieben, und bei jedem Allelenpaar steht
das dominante Allel an erster Stelle. Somit heißt der
Genotyp unserer Katze d/d, L/-, X/X und der unseres Katers
D/-, L/-, X/Y. Genau in der gleichen Reihenfolge werden die
Eintragungen in die Tabellen vorgenommen.
Allele |
mögliche
Allelenkombinationen |
D/- |
D |
- |
L/- |
L |
- |
L |
- |
X/X |
X |
Y |
X |
Y |
X |
Y |
X |
Y |
Gameten
|
D
L
X |
D
L
Y |
D
-
X |
D
-
Y |
-
L
X |
-
L
Y |
-
-
X |
-
-
Y |
In dieser Tabelle fallen
sofort die zahlreichen Bindestriche auf. Nur bei 2 von 8
möglichen Spermientypen kann eine bestimmte
Allelenkombination vorausgesagt werden, eine derartige
Verpaarung wäre also mit vielen Unsicherheitsfaktoren belastet.
Diese Aussage gilt generell für Verpaarungen, bei denen in
einem oder sogar in beiden Partnern mehrere Gene mit
dominanten Allelen ausgestattet sind. Die entsprechenden
rezessiven Allele können soüber einige Generationen
unerkannt weitergetragen werden und können meist dann zur
Ausprägung, wenn niemand mehr damit rechnet. Solchen
Überraschungen ist nur mit konsequenter Linienzucht
beizukommen. Erst nach einigen Generationen ohne
„Ausrutscher" kann man dann mit ziemlicher Sicherheit drauf
schließen, daß der entsprechende Eiter homozygot für ein
bestimmtes dominantes Allel ist. Gehen wir zu Tabelle 3, die
jeine Zusammenfassung der in den beiden vorigen Tabellen
ermittelten Gametentypen darstellt. Diese sogenannte
„Kreuzungstabelle,, zeigt, welche Phänotypen möglich bzw.
ausgeschlossen sind, welche Genotypen welchen Phänotypen
zugrunde liegen können und ermöglicht schließlich unter
bestimmten Voraussetzungen Rückschlüsse auf den Genotyp
eines oder beider Eltern.
Katze |
|
|
dLX |
d-X |
|
|
|
|
|
|
Kater |
|
|
|
|
|
|
|
|
DLX |
DdLLXX |
DdL-XX |
|
|
|
|
|
|
DLY |
DdLLXY |
DdL-XY |
|
|
|
|
|
|
D-X |
DdL-XX |
Dd--XX |
|
|
|
|
|
|
D-Y |
DdL-XY |
Dd--XY |
|
|
|
|
|
|
-LX |
-dLLXX |
-dL-XX |
|
|
|
|
|
|
-LY |
-dLLXY |
-dL-XY |
|
|
|
|
|
|
--X |
-DL-XX |
-d--XX |
|
|
|
|
|
|
--Y |
-dL-XY |
-d--XY |
|
|
|
|
|
|
Wie zu erwarten, sieht es in
der obigen Tabelle bezüglich der Bindestriche auch nicht
besser aus. Aber lassen Sie sich nicht entmutigen, die
Analyse ist einfacher als Sie denken. Wir verwenden zur
Besprechung einzelner Felder oder Feldergruppen wieder das
Zahlenraster aus dem letzten Teil. Fangen wir mit der Farbe
an. Was erwarten wir denn, wenn ein Kater mit unverdünnter
Farbe (hier schwarz) mit einer Katze mit Verdünnung (hier
blau) verpaart wird? Die einen werden sagen: „Die Hälfte der
Welpen ist schwarz, die andere Hälfte ist blau". Andere
werden diese Meinung vertreten: „Alle Welpen sind schwarz,
denn das Allel für die volle Farbe (D) ist dominant". Sind
alle Nachkommen aus mehreren Würfen derselben Verpaarung
wirklich schwarz, dann können wir mit ziemlicher Sicherheit
sagen, daß der Kater bezüglich des Gens für die Farbdichte
homozygot (D/D) ist, die Felder 5-8 und 13-16 können dann
mit der Allelenkombination (D/d) ergänzt werden. Ganz sicher
ist jedoch immer, daß alle schwarzen Nachkommen heterozygot
(D/d) sein müssen, wie in den Feldern 1-4 und 9-12 schon
eingetragen. Fällt jedoch auch nur ein einziges blaues
Kätzchen oder Katerchen, dann steht fest, daß der Kater
heterozygot (D/d) ist, die Felder 5-8 und 13-16 müssen dann
mit d/d belegt werden.
Also nochmal: Nur ein einziges
blaues Kätzchen oder Katerchen, egal in welchem Wurf dieser
Verpaarung, belegt mit absoluter Sicherheit, daß der Kater
bezüglich der Farbdichte heterozygot (D/d) ist. Eine
Homozygotie (D/D) kann jedoch lediglich vermutet werden,
wenn in mehreren Würfen nur schwarze Welpen fallen. Die
Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit dieser Vermutung ist
um so größer, je größer die Anzahl der schwarzen Nachkommen
aus dieser Verpaarung ist. Aber: Nur ein „Blaues", egal ob
der 20., 50. oder 99. Nachkomme, macht die Annahme der
Homozygotie null und nichtig. Dann steht fest, der Kater ist
heterozygot. Jetzt zur Haarlänge. Ganz klar: Kurzhaar-Katze
und Kurzhaar-Kater bringen Kurzhaar-Babys. Aber ganz so
einfach ist die Sache nicht. Unbestritten ist, daß die
meisten Nachkommen tatsächlich kurzhaarig sein müssen, da
beide Eltern zumindest ein dominantes Allel (L) beisteuern.
Die Felder 1-10 und 13-14 zeigen eindeutig Genotypen von
Kurzhaar-Katzen oder -Katern, egal wie das zweite Allel
aussieht. Aber die Wahrscheinlichkeit für die Homozygotie
der Eltern ist hier nicht einfach um so größer, je. größer
die Anzahl der kurzhaarigen Nachkommen ist. Zum einen sind
ja selbst bei doppelter Heterozygotie schon 3/4 aller Welpen
kurzhaarig, zum ändern wird man nie bestimmen können,
welcher der beiden Eltern homozygot sein könnte oder ob
sogar möglicherweise beide Eltern homozygot sind. Eines ist
jedoch auch hier ganz sicher: Sollte auch nur ein einziges
langhaariges Kätzchen oder Katerchen fallen, dann müssen
beide Eltern heterozygot (L/l) sein! Eine andere
Konstellation ist überhaupt nicht möglich. Nur wenn beide
Eltern jeweils ein rezessives Langhaar-Allel (l) beisteuern
können, entwickelt sich ein Langhaarkätzchen oder Katerchen
mit dem homozygot-rezessiven Allelenpaar 1/1.
Ein ganz besonderes Ereignis
wäre es, wenn ein blaues Langhaar-Kätzchen oder Katerchen
fallen würde, weil die Wahrscheinlichkeit dafür äußerst
gering ist. Nur die Felder 17-18 lassen sich so ergänzen,
daß ein Genotyp entsteht, der für beide Gene mit den
homozygot-rezessiven Allelepaaren (d/d, 1/1) ausgestattet
ist. Das ist rechnerisch gesehen gerade 1/8 der Nachkommen.
Für die Bestimmung des Genotyps der Eltern wäre dieses
Kätzchen oder Katerchen allerdings der Glückstreffer: Ein
blaues Langhaar-Baby kann ausschließlich dann fallen, wenn
der Kater für die Farbdichte heterozygot (D/d) ist und wenn
beide Eltern für die Haarlänge ebenfalls heterozygot (L/l)
sind. So viel zunächst einmal zu Statistik,
Wahrscheinlichkeit und Kreuzungsanalyse an einem einfachen
Beispiel mit nur wenigen Genen und Allelen. Sie haben
gesehen, daß wirklich sichere Angaben und Rückschlüsse fast
nur bei solchen Merkmalsausprägungen möglich sind, die durch
rezessive Allele bestimmt werden. Hinter dominanten Allelen
können sich selbst über mehrere Generationen hinweg höchst
interessante Anlagen verbergen. Das schränkt zwar unsere
berechenbare Planung ein, aber der Zugewinn an aufregender
Erwartung und Überraschung ist nicht zu unterschätzen.
Kommen wir nun zu einem ganz anderen Kapitel, der
Besprechung einzelner Gene und deren Allele. Auch da wollen
wir es so halten, daß wir uns langsam von den einfachen
Dingen zu den etwas komplizierteren vorarbeiten. Ich werde
also zunächst die einfachen Grundfarben und deren
Verdünnungen besprechen, die Bänderung der Haare (Agouti)
und die verschiedenen Zeichnungen (Tabbies) sollen zunächst
außen vor bleiben.
Als Farbpigment bezeichnet man
einen Stoff, der bestimmte Teile des Lichts absorbiert und
andere Teile durchläßt oder reflektiert. Bei Säugetieren
kommt als Pigment nur das Melanin in Frage, das bei der
Katze in der Haut und in den Haaren auf komplizierte Art und
Weise an einen Proteinträger gebunden ist. Durch Mutationen,
die die Struktur des Trägerproteins betreffen, kann die
Melanineinlagerung verändert werden, was zu verschiedenen
Verdünnungsgraden und zu Farbeffekten von schwarz bis
rot-gelb führt.
Der nicht-mutierte oder
ursprüngliche Melanin-Protein-Komplex läßt Haut und Haare
schwarz erscheinen, deshalb wird das dominante Wildtyp-Allel
des Farbgens mit B für black = schwarz bezeichnet.
Haare, Nasenspiegel und Fußballen sind bei einer Katze mit
dem Genotyp B/B oder B/- tiefschwarz. Von B gibt es eine
mutierte Form, bei welcher der Melanin-Protein-Komplex so
verändert ist, daß Haare, Nasenspiegel und Fußballen
schokoladenbraun sind. Das entsprechende Allel heißt b
für chocolate oder brown. Aber es gibt noch eine weitere
Mutation, bei der die Katze ein noch helleres Braun zeigt.
Das dritte Allel ist daher
b1 für light brown. Weil dieser braune Farbton im
Idealfall ein wenig rötlicher ist als bei der
Chocolate-Katze, hat sich dafür auch die Bezeichnung
cinnamon = zimtbraun eingebürgert. Es handelt sich hier
um einen klassischen Fall von multipler Allelie, weil es für
das Farb-Gen mehr als zwei Allele gibt. Die Reihenfolge, in
der man die Allele eines solchen Gens aufschreibt (B, b, b1)
oder bespricht, sagt etwas über die Dominanz-Verhältnisse
aus. Das Allele B ist nämlich dominant über b und bl, aber
auch b ist dominant, allerdings nur über b1. Und wo bleiben
die Roten? Das ist so eine Sache. Rot, oder besser Orange
ist kein Allel der B-Serie, sondern es handelt sich hier um
ein zweites unabhängiges Farb-Gen mit zwei
Schalterstellungen, dem Allel 0 für orange und dem
Allel o für nicht orange. Außerdem wird die ganze
Angelegenheit noch dadurch kompliziert, daß dieses Gen auf
dem X-Chromosom liegt, also geschlechtsgebunden vererbt
wird. Merken wir uns jetzt einfach nur, daß Katzen, die ja
zwei X-Chromosomen haben, mit der homozygoten
Allelenkombination 0/0 alle Allele des ersten Farb-Gens
maskieren also rot sind. Nur Katzen mit den rezessiven
Allelen o/o zeigen die Farben der B-Serie. Die heterozygote
Ausstattung O/o führt zu „Schildpatt", das hier nur der
Vollständigkeit halber erwähnt wird, wie und warum, das
werden wir später besprechen. Bei Katern ist die Situation
etwas anders, weil sie ja nur ein X-Chromosom haben:
0/Y-Kater sind rot (die B-Serie ist maskiert), o/Y-Kater
sind nicht rot, es können alle Farben der B-Serie auftreten.
Zu allen oben genannten Farben kommen nun noch die
Verdünnungen (d/d) dazu, was eine interessante und
vielfältige Farbpalette ergibt. Mit der Aufzählung aller
möglichen Genotypen aus der B-Serie mit den jeweils
entsprechenden Verdünnungen möchte ich heute schließen. Das
nächste Mal dann noch andere Farbeffekte, Zeichnungen und
Genaueres über Orange.
1. |
BB
|
D-
|
homzygot schwarz |
2. |
Bb |
D- |
|
3. |
Bb1 |
D- |
beide heterozygot
schwarz, von 1. nicht zu unterscheiden |
4. |
BB |
dd |
homzygot blau |
5. |
Bb |
dd |
|
6. |
Bb1 |
dd |
beide heterozygot blau,
von 4 nicht zu unterscheiden |
7. |
bb |
D- |
homozygot chocolate |
8. |
bb1 |
D- |
heterozygot chocolate,
wie 7. |
9. |
bb |
dd |
heterozygot lilac,
ein abgeschwächtes Lila mit einem leichten rosa
Schimmer |
10. |
bb1 |
dd |
heterozygot lilac,
wie 9. |
11. |
b1b1 |
D- |
homozygot cinnamon |
12. |
b1b1 |
dd |
homozygot fawn,
heller als 9., fast "farblos" aber nicht weiß |
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Dipl. Biologe R.
Fahlisch
"Dreamhunter Cattery"
Das Copyright für den oben genannten Text, liegt sowohl beim
Autor des Textes Herrn R. Fahlisch, sowie bei dem Betreiber
dieser Seiten, Frau Ute Kunze. Eine Vervielfältigung oder
Verwendung des Textes in anderen elektronischen oder
gedruckten Publikationen ist ohne ausdrückliche Zustimmung
von Herrn Fahlisch und Frau Kunze nicht gestattet. |
|