Verlassen wir nun endgültig
den theoretischen , mathematisch-statistischen Teil unseres
Genetik Kurses und wenden uns leichter faßbaren praktischen
Überlegungen zu. Aber seien Sie nicht zu optimistisch, denn
selbst bei den einfachen Farben, von denen wir ja schon das
letzte Mal einige kennengelernt haben, macht uns die
genetische Erklärung manchmal doch einige Schwierigkeiten.
Fassen wir Mut und gehen es an, gemeinsam werden wir die
Sache schon meistern.
Wenn ich vorhin von „einfachen
Farben" gesprochen habe, bei denen wir zunächst auch bleiben
wollen, dann meine ich einfarbige oder mehrfarbige Tiere
ohne weiter Zeichnung. Und da geht's schon los! Denn um die
„einfachen Farben" zu erklären, müssen wir zuerst wissen,
was es mit dem Agouti-Gen auf sich hat. Dieses Gen gehört
schon deshalb an die erste Stelle, weil wir ja inzwischen
auch schon wissen, daß man bei der Beschreibung eines
Genotyps die beteiligten Gene in alphabetischer Reihenfolge
auflistet, und so wollen wir sie auch besprechen. Wenn bei
der folgenden Besprechung der Fellfarben und deren
Modifikationen vereinzelt Rassebezeichnungen auftauchen,
soll das nicht heißen, daß wir jetzt schon bei der
Besprechung einzelner Rassen angekommen sind. Diese sollen
nur bestimmte Farbvarianten näher erläutern, und oft sind
sogar Farbbezeichnungen von Rassenamen abgeleitet. Wenn Ihre
Rasse jetzt also noch nicht dabei ist, gedulden Sie sich.
Wir werden später einzelne Rassen genauer besprechen.
Das Agouti-Gen (Allele: A,
a)
Das Agouti-Gen ist eines der ursprünglichsten Gene und schon
seit langem bei Wildtieren bekannt. Es ist am besten bei
Kaninchen zu beobachten, und daher hat man auch seinen Namen
vom südamerikanischen Goldhasen, eben dem Agouti,
abgeleitet.
Dieses Gen bewirkt mit seinem
dominanten Wildallel (A/-), daß die einzelnen Haare nicht
durchgefärbt sind, sondern daß jedes Haar in sich gebändert
ist; der helle Haargrund geht in einen dunklen Bereich über,
dann davon ganz klar abgegrenzt das gelblich-braune „Agouti-Band"
und wieder deutlich davon abgesetzt die dunkle Haarspitze.
Andere Hinweise auf die
Wirkung des Agouti-Allels sind ein roter oder rosa
Nasenspiegel, der in der Farbe des Fells umrandet sein soll,
dunkle Fußballen, dunkle Augenumrandung und ein dunkler
sogenannter „Aalstrich" auf dem Rücken. Schließlich sollten
Agouti-Tiere ein sehr helles bis weißes Kinn haben, was aber
häufig aus bestimmten Gründen durch sorgfältige
Linienauswahl weggezüchtet worden ist, obwohl doch gerade
dieses Merkmal agoutitypisch ist. Weniger deutlich, oftmals
aber hilfreich bei der Entscheidung, ob Agouti oder nicht,
ist der „Daumendruck" oder „Wildfleck" auf der Rückseite der
Ohren. Bitte verstehen Sie diese Auflistung nicht falsch.
Diese Merkmale können einzeln oder gemeinsam bei der
Agouti-Katze vorkommen, müssen es aber nicht. Fehlen alle
Merkmale oder sind sie nur undeutlich, beweist dies nicht,
daß wir ein Nicht-Agouti-Tier (a/a) vor uns haben. Umgekehrt
gilt jedoch: Ist auch nur eines dieser Merkmale vorhanden,
dann trägt die Katze mindestens ein Agouti-Allel (A/-).
Und noch eines ist sicher:
Jede Tabby-Katze, egal ob getigert, geströmt oder getupft,
ist eine Agouti-Katze, solange sie nicht rot ist.
Tabby-Muster ist also nur bei Agouti-Tieren möglich, mit
Ausnahme der Roten, dort tritt TabbyZeichnung immer auf,
egal ob Agouti oder nicht. Aber mit den „Roten" werden wir
uns sowieso noch herumschlagen müssen, also Geduld!
Ich habe weiter oben schon
kurz darauf hingewiesen, daß es beim Agouti-Gen noch ein
zweites Allel gibt. Es handelt sich um das mutierte
rezessive Nicht- oder Non-Agouti-Allel. Die Wirkung ist
einfach zu beschreiben: Non-Agouti-Tiere (a/a) haben keine
gebänderten Haare, sie sind von der Wurzel bis zur Spitze
einheitlich durchgefärbt. Natürlich wieder einmal mit
Ausnahme der Roten (s.o.) Aber alle anderen Non-Agoutis
haben nirgends am Körper ein Tabby-Muster. Nur bei
Jungtieren zeigt sich ein eventuell verdecktes Tabby als
sogenannte „Geisterzeichnung" , die aber beim
Heranwachsenden vollständig verschwindet.
Für die, wie ich sie nenne,
„einfachen Farben" ohne Tabby-Zeichnung können wir also
davon ausgehen, daß es sich um Non-Agoutis handelt und
theoretisch bei der Beschreibung der Genotypen das
rezessiv-homozygote Allelenpaar (a/a) weglassen. Das haben
wir ja schon bei der Beschreibung der B-Serie (B von black =
schwarz) praktiziert. Laut Alphabet sind jetzt die Allele
des B-Gens abzuhandeln. Da ich im letzten Teil schon
ausführlich über diese Serie berichtet habe, hier nur eine
kurze Rekapitulation.
Das B-Gen (Allele: B, b,
b1)
Ich habe früher einmal behauptet, daß man ein Gen mit dem
Anfangsbuchstaben des englischen Begriffes für das
betreffende Merkmal bezeichnet. Hier nun kommen wir leicht
ins Schleudern. Steht nun B für black oder brown? Ich
tendiere mehr zu der zweiten Annahme, da man bei einem
Merkmal wie z.B. der Fellfarbe erst dann die Veranlagung
durch ein einzelnes Gen erkennen kann. wenn eindeutige
Mutationen vorliegen, die über mehrere Generationen anhand
der Mendel'schen Gesetze verfolgbar sind. Da brown oder
braun eine Mutation der ursprünglichen schwarzen Farbe ist,
dürfte das B von brown abgeleitet sein.
Nun also zur Wiederholung der
Brown-Serie. Soweit sie mir bekannt sind, werde ich Ihnen
eine Auswahl der verschiedensten Bezeichnungen für eine
Farbvariante geben, denn die Farbbezeichnungen sind in der
Literatur, unter Richtern und unter Züchtern nicht überall
gleich. Oft werden angelsächsische Begriffe eingedeutscht
oder deutsche Begriffe weichen englischen „Fachwörtern".
Allel B = black oder schwarz
Die „Schwarze" ist die
bekannteste einfarbige Katze. Das Fell ist tiefschwarz
durchgefärbt, Nasenspiegel und Fußballen sind ebenfalls von
einem gleichmäßigen Schwarz. Verantwortlich dafür ist der
Farbstoff Melanin, der zusammen mit einem Proteinkomplex
Pigmentpartikel bildet, die in jeder Hautzelle und in jedem
Haar gleichmäßig dicht verteilt sind. Der Eindruck einer
Farbe entsteht dadurch, daß aus dem Sonnenlicht oder einem
anderen weißen Licht, das ja alle Farben enthält, ein
bestimmter Anteil verschluckt wird. Der Rest wird
reflektiert und vermittelt die Farbe. Die oben beschriebene
Zusammensetzung und Verteilung der Pigmentpartikel ist so
beschaffen, daß alles Licht verschluckt wird. Es wird nichts
mehr reflektiert und die Katze erscheint schwarz. Bei einer
weißen Katze dagegen wird alles Licht reflektiert, sie ist
daher so weiß wie das Licht, mit dem sie beleuchtet wird.
Alle anderen Farben liegen irgendwo dazwischen, d. h. nur
ein bestimmter Anteil wird verschluckt und der reflektierte
Rest ergibt die Farbe. Allel b = brown oder braun
Durch die Wirkung dieses
gegenüber dem Wildtyp-Allel rezessiven Allels wird die
Zusammensetzung des Melanin-Protein-Komplexes so verändert,
daß ganz andere Reflexionseigenschaften zustande kommen, die
Verteilung der Pigmentpartikel bleibt jedoch gleich.
Haare, Nasenspiegel und
Fußballen erscheinen allein durch die Veränderung der
Pigmentstruktur schokoladenbraun. Deshalb ist für diese
Farbe auch die Bezeichnung chocolate zutreffend. Auch
die Begriffe chestnut oder kastanienbraun
vermitteln einen guten Eindruck. Oder stellen Sie sich
einfach eine Havana vor, dann wissen Sie genau,
welcher Farbton gemeint ist. Allel b1 = light brown oder
hellbraun
Dieses Allel steht für eine
weitere Veränderung der Pigmentstruktur, nicht aber für die
Verteilung der Pigmentpartikel. Haare, Nasenspiegel und
Fußballen sind heller und auch ein wenig rötlicher als bei
chocolate, deshalb die zusätzlichen Beschreibungen
cinnamon, zimtbraun und caramel. Das Allel b1
ist auch gegenüber b und B rezessiv.
Die Darstellung des B-Gens
soll hier mit einer Liste der möglichen Genotypen enden.
Andere einflußnehmende Gene werden erst später beschrieben
oder wiederholt, dann wird die Liste automatisch immer
länger werden, bis Sie am Ende unseres Kurses ein
Nachschlagewerk für die meisten aller möglichen Genotypen
beisammen haben werden.
Mögliche Genotypen (Non-Agouti)
schwarz (B/B), (B/b); (B/b1) oder einfach (B/-)
chocolate (b/b); (b/b')
cinnamon (b'/b') |
Bevor wir die Fellfarben
weiter besprechen, machen wir einen kleinen Ausflug zu den
Augenfarben oder besser Iris-Farben.
Obwohl einige Fellfarb-Allele
einen Einfluß auf die Iris-Farbe zu haben scheinen, ist es
doch im großen und ganzen so, daß sie unabhängig vererbt
wird. Die Variationsbreite reicht von graugrün über gelb bis
zu orange und ist polygen veranlagt. Sollte bei einer
Farbvariante ein Einfluß auf die Augenfarbe bemerkbar sein
oder der Standard eine bestimmte Augenfarbe verlangen, werde
ich gesondert darauf eingehen.
Kommen wir nun getreu dem
Alphabet folgend zum C-Gen. Die gesamte Allelenserie wird
auch Albino-Serie genannt. Durch die aus Mutationen
entstandenen Allele wird nicht die Zusammensetzung der
Pigmentpartikel verändert, sondern die Anzahl der gebildeten
Partikel wird mehr oder weniger verringert. Die
Variationsbreite reicht von der normalen Pigmentmenge (full
colour oder Vollfarbe, daher auch die Bezeichnung C) bis zum
völligen Fehlen von Pigmenten (Albino, daher Albino-Serie).
Das C-Gen (Allele: C, c
hoch b, c hoch s, c hoch a, c)
Bei diesem Gen handelt es sich um ein Beispiel
deutlicher multipler Allele mit den unterschiedlichsten
Dominanzverhältnissen, wie wir noch sehen werden.
Allel C = full colour oder
Vollfarbe
Die Anzahl und damit die Dichte der Pigmentpartikel ist
normal.
Allel c hoch b = Burma oder
burmabraun
Die Anzahl und damit die Dichte der Pigmentpartikel ist so
weit verringert, daß alle Farben aufgehellt erscheinen. Das
Allel c hoch b ist rezessiv gegenüber C.
Schwarz wird somit zu einem
Farbton, der sehr schwer zu umschreiben ist. Manche Züchter
bezeichnen ihn als schwarzbraun, seehundfarben oder
seal, andere meinen zobelfarben oder säble
sei treffender. Auch sepiabraun kann man dazu sagen.
Da es sich aber um den typischen Braunton der Burma-Katze
handelt, ist burmabraun sicher eine gut vorstellbarer
Begriff. Chocolate wird zu burmachocolate oder
champagnerfarben aufgehellt. Augen: Es werden kräftig
gelbe Augen gewünscht. Leider zeigt die Iris durch die
aufhellende Wirkung des c hoch b-Allels eine deutliche
Tendenz zum Grün, die sich mit zunehmendem Alter auch noch
verstärkt. Da Burmesen nur als Non-Agouti gezüchtet werden,
ist damit die Liste der Farben fast vollständig, nur um die
Roten müssen wir uns später noch extra kümmern.
Allel c hoch s = Siam-Allel
oder Maskenfaktor
Hier handelt es sich um eine ganz außergewöhnliche
Angeigenheit. Die Farben sind noch etwas mehr aufgehellt,
aber die Pigmente werden nicht mehr gleichmäßig am ganzen
Körper gebildet. Sie erscheinen nur noch dort, wo die
Körpertemperatur etwas niedriger ist, also an den sog.
„Kältepunkten" oder Points (Nase, Ohren, Beine und Schwanz).
Der „warme" Körper variiert von hellbeige über
elfenbeinfarben bis nahezu weiß. Die Pigmentbildung ist also
temperaturabhängig geworden. Allgemein gilt, je niedriger
die Temperatur, desto dunkler die Farbe, sowohl in den
Points als auch am Körper. Das c hoch s-Allel ist rezessiv
gegenüber C, aber codominant oder gleichberechtigt zu c hoch
b. Die genetisch schwarze Katze wird durch das c hoch
s-Allel zur Seal-Point, die chocolate wird zur
Chocolate-Point. Damit sind wir aber noch nicht fertig,
denn die Maskenbildung wird noch von einer ganzen Reihe von
Genen beeinflußt, wir werden also später noch mehrmals
darauf zurückkommen müssen.
Augen: Das Allel c hoch s
scheint die Iris-Farbe sehr stark zu beeinflussen.
Maskenkatzen haben immer klare strahlend blaue Augen, was
sicher mit der Entpigmentierung zusammenhängt, da grüne oder
orange Augen niemals vorkommen. Diese unverwechselbare blaue
Farbe kann nur durch eine sorgfältige Auswahl der Zuchttiere
erhalten werden, da die Variationsbreite vom verwaschenen
grau-blau bis grau-gelb reichen kann.
Hier ist wieder ein kleiner
Einschub vonnöten. Auch die Burmesen zeigen Anzeichen zur
Point-Bildung. Besonders bei Jungtieren sind die Points
deutlich dunkler als der Körper. Der Farbunterschied
reduziert sich jedoch beim Heranwachsen und ist bei
erwachsenen Tieren kaum mehr zu bemerken. Das Phänomen zeigt
nur, wie eng die beiden Allele c hoch b und c hoch s
miteinander verwandt sind. Kreuzt man eine Burma (c hoch b/c
hoch b) mit einer Siam (c hoch s/c hoch s) entsteht eine
mischerbige Katze (c hoch b/c hoch s) mit deutlichen Points
aber geringerem Kontrast zwischen Körper- und Point-Farbe.
Auch im Körperbau steht sie irgendwo zwischen Burma und Siam
und wird Tonkanese genannt. Aus gegebenem Anlaß kann man
Tonkanesen nicht reinerbig züchten. Verpaart man zwei
Tonkanesen miteinander, sind nur 50% der Welpen wieder
Tonkanesen, 25% sind Burma und 25% Siam, wie Sie selbst
leicht errechnen können. Diese Verteilung betrifft aber nur
die Farbe, nicht den Köperbau, der ja polygen veranlagt ist.
Wenn man großes Pech hat, dann haben die burmafarbenen den
Körperbau der Siam und umgekehrt.
Allel c hoch a = Albino mit
blauen Augen
Dieses Allel unterdrückt die Pigmentbildung im Fell
vollständig, nicht einmal in den Points ist noch eine
Farbschattierung zu erkennen. Nur in der Iris sind noch
Pigmente vorhanden, was zu den typischen hell- oder
wasserblauen Augen führt. c hoch a ist rezessiv gegenüber
allen vorgenannten Allelen der Albino-Serie.
Allel c = Albino mit roten
Augen
Hier wird die Pigmentbildung überall vollständig
unterdrückt. Die Augen sind rot durch den roten
Blutfarbstoff, der durch die durchsichtigen feinen
Blutgefäße der Iris scheint.
Diese „echten" Albinos sind
nicht zu verwechseln mit den weißen Katzen, deren Farbe
entweder durch das dominante epistatische Weiß (W) oder
durch das Scheckungsgen (S) verursacht wird. Beide Gene
werden genauer besprochen, wenn sie gemäß ihrer Stellung im
Alphabet dran sind.
Und nun zum Schluß eine
Aufgabe:
Die Liste am Ende der Besprechung des B-Gens
läßt sich durch die Allele des C-Gens erweitern. Sie gehen
davon aus, daß es sich wieder um Non-Agoutis handelt.
Versuchen Sie unter Einbeziehung aller B- und C-Allele
(außer b1 bei den Burma und Siam) alle möglichen Genotypen
aufzulisten.
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Dipl. Biologe R.
Fahlisch
"Dreamhunter Cattery"
Das Copyright für den oben genannten Text, liegt sowohl beim
Autor des Textes Herrn R. Fahlisch, sowie bei dem Betreiber
dieser Seiten, Frau Ute Kunze. Eine Vervielfältigung oder
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